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Leseprobe aus
Irene Dalichow: Salz


Einleitung

Alles Leben kommt aus dem Meer. Das kann der Körper eines jeden Menschen bis heute bezeugen; denn er besteht vor allem aus Salzwasser, dem Urstoff, dem er entstammt.
   Blut beispielsweise ist dem Wasser des Ozeans so ähnlich, dass manch ein Marinearzt im Zweiten Weltkrieg Meerwasser für Infusionen hernahm, wenn seine Patienten viel Blut verloren hatten. So konnten in dieser tragischen Zeit dennoch zahlreiche Menschenleben gerettet werden. Auch in der modernen Medizin kommt Natriumchlorid, reines Kochsalz, bei Infusionen zum Einsatz.
   Wir alle schwammen als frisch gezeugte Winzlinge in der salzhaltigen Ursuppe des Fruchtwassers. Die Erinnerung an diesen Zustand der Geborgenheit ist tief in unserer Psyche verankert, und so gehört das Baden in warmem Salzwasser zu unseren wunderbarsten und heilendsten Erfahrungen für Seele und Organismus.
   Auch am Ende seines Lebens legt der Körper Zeugnis ab von unserer Verbundenheit mit diesem Mineral: Wenn man einen Leichnam bei hoher Temperatur verbrennt und ihn damit materiell auf sein Wesentliches reduziert, bleibt vor allem salzhaltige Asche übrig.
   "Blut, Schweiß und Tränen" sind die elementarsten Flüssigkeiten, die den Prozess des Lebens in Gang halten. Wenn diese salzigen Flüssigkeiten den Körper verlassen - durch Verletzungen, die Menstruation, Anstrengung, Hitze oder starke Gefühle -, dann müssen sie ersetzt werden. Nämlich mit einer ausreichenden Menge möglichst guten, sauberen Wassers und mit möglichst hochwertigem, natürlichem Salz, das viele der lebenswichtigen Mineralien und Elemente enthält, die auch im Meer vorhanden sind. Den täglichen Bedarf können wir durch ausreichendes Trinken von Wasser und Essen von Salz decken, ungewöhnlich hohe Verluste müssen gegebenenfalls durch Infusionen ausgeglichen werden.
   Das Bewusstsein für die Wichtigkeit von qualitativ hochwertigem Trinkwasser ist heute bei vielen Menschen ausgeprägt. Sowohl dafür, dass man davon täglich möglichst große Mengen zu sich nehmen sollte, um den Organismus zu entgiften und die Aufrechterhaltung seiner Funktionen zu gewährleisten, als auch dafür, dass es sich dabei keinesfalls um teures, in Flaschen abgefülltes Mineralwasser handeln muss.
   Über die Qualität von Süßungsmitteln ist im Laufe der Jahre ebenfalls eine Menge bekannt geworden. Viele Menschen sind sich heute dessen bewusst, dass natürliche Süße aus Honig, Ahornsirup, Fruchtdicksäften oder Rohrzucker ohne größere Bedenken verwendet werden darf, jedenfalls, wenn sich die Menge in Grenzen hält (von Diabetikern einmal abgesehen). Dass aber raffinierter Zucker und synthetische Süßstoffe bedenklich sind und nicht oder lediglich in geringen Mengen konsumiert werden sollten.
   Während sich Gesundheitsbewusste beim weißen Zucker, wenn überhaupt, nur noch mit gemischten Gefühlen bedienen, fehlte das Problembewusstsein für die Qualität von Salz bis vor kurzem jedoch gänzlich. Dabei sind weißer Zucker und das handelsübliche weiße Salz durchaus miteinander vergleichbar. Während im Urzucker zahlreiche Mineralien und Vitamine enthalten sind, die ihn zu einem wertvollen Nahrungsmittel machen, enthält weißer Zucker nur Kohlenhydrate, und während das "ganze" Salz, wie es sich als Meersalz ablagert, neben Natriumchlorid etwa achtzig Spurenelemente enthält, ist gewöhnliches handelsübliches Speisesalz, also raffiniertes Salz, ein reines Auszugsprodukt mit dem einzigen Bestandteil Natriumchlorid und eventuell künstlichen Zusätzen. Das ist, wenn man es hoch dosiert, ungesund, wenn nicht giftig. In sehr hohen Dosen kann es sogar tödlich wirken. Hier liegt auch einer der Gründe, warum es immer hieß, man solle Salz nur sparsam verwenden. Wenn man aber zu wenig Salz zu sich nimmt, wird man an Körper, Geist und Seele krank.
   Wie es nun zusammenpasst, dass man einerseits an Salz sparen, andererseits jedoch genügend davon zu sich nehmen soll, war bisher vielen Menschen unklar, auch solchen, die sich intensiv mit Gesundheit und Ernährung beschäftigen.
   Seit kurzem nun erwacht und verbreitet sich bei vielen gesundheitsbewussten Menschen die Erkenntnis, wie dieses scheinbare Paradoxon aufzulösen ist. Zeigen sie doch verstärkt ein Interesse daran, dass außer dem herkömmlichen, raffinierten Salz auch naturbelassenes, vollwertiges Stein- und Kristallsalz sowie hervorragendes Meersalz aus geschützten, unverschmutzten Teilen des Meeres existiert. Solch natürliches, unraffiniertes Salz findet mittlerweile reißenden Absatz. Besonders Kristallsalz aus dem Himalaya ist momentan in aller Munde.
   Das Informationsbedürfnis danach, wie man mit vollwertigem Salz umgehen kann und sollte, ist enorm. Genau dafür wurde dieses Buch geschrieben. Es soll Sie darüber ins Bild setzen, wie Sie selbst Ihre körperliche und seelische Gesundheit mit natürlichem, vollwertigem unraffiniertem Salz fördern können. Wie Sie auf relativ preiswerte und unkomplizierte Weise mit dem Grundlegendsten und dabei Kostbarsten, das die Natur uns zur Verfügung stellt, eine Balance herzustellen vermögen. Wie Sie Ihren Körper von Schadstoffen und Übersäuerung befreien, ihm neue Energie zufuhren und ihn vor Mangelerscheinungen schützen. Also - wie Sie ausgleichen können, was ein hektischer, kopflastiger Lebensstil in einer immer mehr verschmutzten Umwelt anrichtet.
   Offenbar hat das kollektive Unbewusste dem kollektiven Bewusstsein bisher vorenthalten, dass im Schoß der Erde und an den Ufern der Meere ein Schatz darauf wartet, wertgeschätzt, geborgen und sachgerecht genutzt zu werden. Ein Schatz, der uns für unsere Gesundheit und Lebenskraft enorme Dienste erweisen kann.
   Mit Sicherheit werden im Laufe der nächsten Jahre noch viele neue Anwendungsmöglichkeiten und Erfahrungen im Zusammenhang mit natürlichem Salz veröffentlicht werden. Doch für den Moment hoffe ich, dass Sie mit dem, was in diesem Buch angeboten wird, grundlegend informiert werden und ausgezeichnete Erfolge haben.

Irene Dalichow, München, im Mai 2002


1. Kapitel
Das Salz der Erde

Die magische Zahl lautet 250 Millionen Jahre. Eine Zahl, neben der sich die 2000 Jahre, die seit Beginn unserer Zeitrechnung vergangen sind, wie eine winzige Belanglosigkeit ausnehmen.
   250 Millionen Jahre - so alt ist das Kristallsalz aus dem Himalaya, das im Augenblick in aller Munde ist; im doppelten Sinne des Wortes. Und genau dieses Alter haben auch die Salzablagerungen, die im östlichen Alpenraum, in Österreich und Bayern, abgebaut wurden und werden. Und diejenigen in allen anderen Bergen der Erde.
   Die Zeit heißt Permotrias. Es gab damals schon Farne und Schachtelhalme, Fische, Landtiere, Insekten, Lurche, Schildkröten. Organisches Leben entstand vor 1,5 Milliarden Jahren im Meer. Es ist erst in etwa 1 Milliarde Jahre alten Gesteinen nachweisbar.
   Im Permotrias existierten die Kontinente, wie wir sie heute kennen, noch nicht. Sie hingen mehr oder minder zusammen und bildeten den Riesenkontinent Pangaea.
   "Ur-Mitteleuropa" lag in der Nähe des Äquators, etwa dreißig bis vierzig Breitengrade nach Süden versetzt. Damals herrschte hier ein gemäßigtes bis tropisches Klima, wie es heute ähnlich um den zwanzigsten Breitengrad zu finden ist.
   Aus den Flachmeeren und Lagunen Mitteleuropas und anderer Gebiete trocknete die Sonne das Salz heraus. Später trennten sich die einzelnen Kontinentalplatten, und sie wanderten auseinander, Gebirge falteten sich auf, Gaia entwickelte das Gesicht, das wir heute vom Globus oder von zauberhaften Satellitenaufnahmen kennen. Dieses Gesicht lädt zum Träumen ein und dazu, innere und äußere Reisen zu unternehmen. Aber reizvoll ist auch, sich vorzustellen, wie es wohl damals war, als Sonne und Mond über schier endlose Zeiträume das Urmeer bestrahlten und ihre Kraft dort hineinschickten. Und wie sich schließlich die Essenz herauskristallisierte, das Salz, welches wie eine unsichtbare Kette alles Leben miteinander verbindet: den Ozean, Pflanzen, deren Chlorophyll mit dem roten Blutfarbstoff Hämin verwandt ist, Tiere und Menschen.
   Wie auch immer es zu Pangaeas Zeiten ausgesehen und sich angefühlt haben mag: Sonne und Mond waren dieselben, unser heutiger Heimatplanet war schon derselbe, und das Salz von damals steht uns heute als Materie gewordenes bzw. gebliebenes Zeugnis dieses Zeitalters der Erdgeschichte zur Verfügung. Wir können es aufnehmen und davon an Leib, Seele und Geist profitieren.
   Das Wort "Sole", womit salzhaltiges Quellwasser bzw. eine Salzlösung beschrieben wird, geht wahrscheinlich auf ein westslawisches Wort zurück, das zur Sippe des russischen sol' (Salz) gehört. Es wurde im Gebiet der Lüneburger Salzquellen entlehnt und in den Salinen in die Fachsprache aufgenommen. Manche sagen aber auch, es stamme vom lateinischen Wort sol, was "Sonne, Sonnenlicht" heißt und der Name des Sonnengottes (Sol) war. Vielleicht kann man gutes, unverfälschtes, natürliches Salz als materialisiertes Sonnenlicht ansehen - auch dies eignet sich als Thema zum Meditieren. Damit kann man wunderbar den Entgiftungs-, Energetisierungs- und Heilungsprozess unterstützen, wenn man sich in regelmäßigen Abständen als Kür solches Salz zuführt, in dem Sonne und Erde miteinander verschmolzen sind.


Wasser und Salz

Ins Träumen geraten auch regelmäßig Menschen, die eigentlich eher sachlich und technisch ausgerichtet sind: Astronauten bei ihren Forschungsreisen im All. Alle berichteten, nachdem sie zurückgekehrt waren, von starken Gefühlen der Liebe und Verbundenheit beim Anblick der Erde aus dem Weltraum.
   Einem von ihnen fiel erst nach eigener Anschauung so richtig auf, was er vorher theoretisch längst gewusst hatte, nämlich dass 71 Prozent der Erdoberfläche von Wasser bedeckt sind. Er fand, die "Erde" müsse eigentlich "Wasser" heißen.
   Schätzungsweise gibt es über 1,3 Milliarden Kubikkilometer Wasser auf unserem Planeten. Bis auf etwa 2,5 Prozent befindet es sich allerdings als Salzwasser in den Meeren und Ozeanen. Wenn man von diesen 2,5 Prozent das Eis der Polarkappen, das erstaunlicherweise aus Süßwasser besteht, und die gesamte Masse der Inlandsgletscher abzieht, verbleibt für alle Kontinente zusammen ein winziger Rest von ungefähr 1 Prozent Süßwasser. Wobei sich das Süßwasser immer wieder durch Meerwasser erneuert, das verdunstet und Salz hinter sich lässt. Es bildet Wolken und fällt dann als Regen oder Schnee zurück auf die Erde, Aus genau solchem Wasser bildet sich das Eis an Nord- und Südpol.
   Auch der Mensch besteht zu mehr als zwei Dritteln aus Wasser. Er braucht zwar lebensnotwendig Wasser und Salz. Mit Salzwasser allein kann er aber nicht überleben, er ist dringend auf Süßwasser angewiesen. Wir tun also gut daran, wenn wir mit dem einen Hundertstel an Süßwasser, das uns zur Verfügung steht, vorsichtig umgehen, es weder verschwenden noch verschmutzen. Denn ohne das kostbare und köstliche Wasser sind wir verloren.
   Beispiele für fatale Fehler im Umgang mit Wasser gibt es zuhauf, auf der ganzen Welt. So hat man vor einigen Jahren am Ayers Rock (Uluru) mitten in der australischen Wüste ein Luxushotel mit einem Swimming-Pool gebaut. Der Pool wird mit Süßwasser tief aus der Erde gespeist. Dieses Süßwasserdepot ist jetzt aber bald erschöpft, ohne dass irgendein Nachschub zu erwarten wäre. Auch nicht "von oben"; denn dieser Teil der Welt gehört zu den niederschlagsärmsten.
   Wasser existiert als unsichtbarer Dampf oder in sichtbarer Form als Nebel und Wolken. Wir kennen es in seinem festen Aggregatzustand als Eis und Schnee. Daher kommt es in der Natur nie als völlig reines H2O vor, sondern enthält immer gelöste Substanzen. Das Wasser in der Natur entspricht kaum noch unseren Hygienevorstellungen. So muss es überprüft und dann gefiltert und entkeimt werden. Dazu wird Grundwasser hergenommen, aber ebenso Wasser aus Oberflächengewässern.
   Wir brauchen das Wasser nicht nur zum Trinken, sondern es ist auch für die Reinigung unverzichtbar. Ebenso für die Gewinnung reinen Salzes.
   Die mächtigen Salzlager des Zechsteins (einer Gesteinsart, die aus mehreren Schichten besteht) weisen einen hohen Reinheitsgrad auf. Das dort gewonnene: Steinsalz kann direkt aus der Grube abgebaut, gemahlen, gesiebt und verkauft werden. Andere Salzlager, zum Beispiel die in den Alpengebieten, sind stark verunreinigt. Sie werden durch Beigabe von Wasser ausgelaugt und als salzhaltige Mineralwässer, als Solen, über Rohrleitungen den Salinen (Sudhütten) zugeführt. Dort wird das Salz durch Verdampfung des Wassers gewonnen.
   Früher verwendete man dafür so genannte Sudpfannen, in denen sich das geschmacksintensive Pfannensalz absetzte. Heute kommen stattdessen Thermokompressionsanlagen zum Einsatz.
   Noch geringwertigere Solen werden in Gradierwerken langsam über Reisigwände versprüht. Dabei verdunstet ein Teil des Wassers, und die Verunreinigungen setzen sich an den Reisern ab. Heute werden solche Gradierwerke nicht mehr zur Salzgewinnung verwendet, sondern nur noch zu Kurzwecken. Man findet sie zum Beispiel in Bad Reichenhall und Bad Sassendorf. Die feuchte, salzhaltige Luft in ihrer Umgebung wirkt positiv auf erkrankte Atemwege. So sitzen Kurgäste vor diesen imposanten, hohen, feuchten, mit Zweigen angefüllten Wänden und inhalieren, was sonst nur am Meer zur Verfügung steht: Luft, die durch und durch mit fein verteiltem, heilendem Salz getränkt ist.


Das weiße Gold: Salz macht Geschichte

Seit jeher galt Salz als kostbares, unentbehrliches Gut, das auch entsprechende Preise erzielte. Daher wurde es als "weißes Gold" bezeichnet. Jeder Einzelne benötigt pro Jahr etwa 8 Kilo davon, um am Leben zu bleiben. Vermutlich haben die Menschen deshalb schon zu Urzeiten "Salzgärten" angelegt. Das sind künstlich eingerichtete flache Becken oder Buchten, in die Meerwasser geleitet wird. Die Sonne lässt das Wasser verdunsten, und das Salz bleibt übrig. Heute befinden sich in solchem Meerwasser in vielen Fällen Spuren von Schwermetallen und Giften. So ist Meersalz allein dann empfehlenswert, wenn es aus Bereichen stammt, in denen der Ozean nur wenig verschmutzt ist.
   Die bergmännische Gewinnung von Salz mit der Spitzhacke wurde seit dem Beginn des letzten Jahrtausends vor Christus betrieben. In der Hallstattzeit, die von 750 bis 450 vor Christus dauerte, erlebte der Salzbergbau eine Blüte.
   Im Salzkammergut in den Ostalpen, aber auch an anderen Orten wie Halle an der Saale bauten die dort ansässigen Kelten und Illyrer Salz ab. (Die Silbe "hall" stammt aus dem Althochdeutschen und bedeutet so viel wie "Salz". Viele Ortsnamen verwenden diesen Wortbestandteil.) Im Lichtschein von Kienspänen holten sie mit Holz-, Geweih- oder Bronzewerkzeugen das weiße Gold aus dem Stock und schleppten es in Ledersäcken zu Tage. Die Salzgewinnung und der Handel mit Salz brachten den Menschen über Jahrhunderte hinweg Reichtum. Das gilt besonders für die prähistorischen Salzbergbaue in Hallein und Hallstatt im heutigen Österreich. Der dortige Reichtum zeigt sich in zahlreichen Grabbeigaben aus kostbarem Schmuck und kunstvollen Waffen.
   Die Kelten verwendeten Salz übrigens zur Behandlung von Brandwunden und anderen körperlichen Leiden, auch von Geisteskrankheiten.
   Offenbar gab es aber Zeiten, in denen den Menschen zu wenig Salz zur Verfügung stand. In seinem Buch Seasalt's Hidden Powers ("Die versteckten Kräfte von Meersalz") behauptet Jacques de Langre: "Der belgische Historiker Henri Pirenne beobachtete, dass im Mittelalter die gesamte Atlantikküste verlassen war und dass der gesamte (europäische) Kontinent in ein dunkles Zeitalter der menschlichen Unterentwicklung geriet. Historiker sagen, dass dies zu einem großen Teil durch den Salzmangel in der Ernährung verursacht wurde. Die Überflutung der Salzebenen hatte alle Salzfarmen an der Küste des Atlantischen Ozeans und des Mittelmeeres lahm gelegt. Daher litt ganz Europa an einer Salz-Hungersnot, die fast 500 Jahre dauerte ... Man nahm Salz aus unterirdischen Minen als Ersatz, aber der Mangel an lebendigen und ausgewogenen Spurenelementen im Steinsalz verminderte die geistige Balance und das intellektuelle Niveau fast so sehr wie das Nichtvorhandensein von Salz."
   Dieses Zitat steht im Widerspruch zu zahlreichen anderen Quellen. Man fragt sich beispielsweise, wieso das Salz aus den traditionellen Salzminen nicht als Ersatz tauglich gewesen sein soll. Viele weitere Fragen tauchen bei der Lektüre auf. Trotzdem möchte ich diesen Denkanstoß bringen. Denn es ist eine interessante Vorstellung, dass die schrecklichen Seuchen sich im Mittelalter so ausbreiten und die grauenvollen Ideen und Praktiken im Zusammenhang mit der Hexenverfolgung sich manifestieren konnten, weil es den Menschen an Salz mangelte! Vielleicht nehmen Sie den Inhalt dieses Zitats einfach "cum grano salis". Dieses geflügelte Wort heißt wörtlich übersetzt "unter Hinzufügung eines Salzkörnchens" - es bedeutet, dass wir etwas nicht wörtlich, nicht unbedingt als gültig hinnehmen, sondern richtig abwägen sollen...

Im Jahr 1995 zeigte das Haus der Bayerischen Geschichte in Bad Reichenhall, Traunstein und Rosenheim die Ausstellung "Salz macht Geschichte". Alle drei Städte sind Salzorte. Im Kurort Bad Reichenhall gehörte eine moderne Großsaline ebenso zum Bestandteil der Ausstellung wie die prächtige Alte Saline. In Traunstein, das etwa 300 Jahre lang Salinenstadt war, diente eine an Stelle des altes Sudhauses errichtete Halle als Ausstellungsort. Und Rosenheim, das seit dem Mittelalter Salzhandelsstadt war, verfügte mit dem Lokschuppen über ein gut eingeführtes Ausstellungszentrum.
   Bei "Salz macht Geschichte" konnte man wirklich alles über das Salz erfahren, angefangen bei Naturgeschichte und Geologie über Politik, Wirtschaft bis hin zur Kunst. Was dort zusammengetragen wurde, liegt in zwei umfangreichen Katalogen vor und kann so von jedem nachvollzogen werden. Diesen Bänden entstammen viele der im Folgenden verwendeten Informationen.
   Bei einem ganz besonders originellen Ausstellungsstück, das im Katalog abgebildet ist, handelt es sich um eine Salzkrone aus der Saline Wilhelmshall bei Rottweil/ Schwarzwald. Sie stammt aus dem Jahr 1900. Bewundern kann man sie im Rottweiler Stadtmuseum.
   Es ist eine geschwungene, aus Stahldraht gebogene und geflochtene, nach einer Königskrone gestaltete "Kopfbedeckung", über und über mit Salzkristallen besetzt und daher weiß. Im Text heißt es: "Am Geburtstag des Königs wurde die Salzkrone mitgetragen, wenn die Belegschaft der Saline in Knappschaftstracht zum Kirchgang ... zog. Die dortigen Pfarrer erhielten als jährliches Deputat je einen Zentner Salz und schlossen ihrerseits die Belegschaft der Saline ins kirchliche Gebet ein."
   Die Saline Wilhelmshall arbeitete bis 1969, danach wurde sie stillgelegt. Seit 1981 nutzt man eins der Gebäude als Salinenmuseum.
   Ein anderes Exponat ist eine Statue der Göttin Bavaria, die im Münchner Deutschen Jagd- und Fischereimuseum steht. Sie zeigt den Reichtum Bayerns: Jagd, Ackerbau und Salz. Das wird durch eine Hirschdecke, die sie trägt, sowie einige Ähren und ein Salzfass in ihren Händen symbolisiert.
   Ein "Salzfass mit Relief des Triumphs der meergeborenen Venus" aus Elfenbein mit vergoldetem Silber aus dem 17. Jahrhundert stellte der Weilheimer Elfenbeinschnitzer Georg Petel für den niederländischen Maler Peter Paul Rubens her. Es befindet sich heute in der Königlichen Schatzkammer in Stockholm. Dieses Salzfass zeigt die Liebesgöttin Venus, wie sie dem Ozean entsteigt. Sie kniet auf einem Delfin, über ihrem Kopf schweben drei Putten. Eine aus Silber getriebene, vergoldete Muschel, die als Salzschale dient, krönt die Schnitzerei. Bezeichnet wird das Ganze im Katalog als "ein Werk von zauberischer Schönheit, ein Poem in Elfenbein, das in der zeitgenössischen Plastik einzigartig bleibt." Und zur Interpretation heißt es, der Lebensraum der meergeborenen Aphrodite bzw. Venus sei der Ozean, dem auch alles Salz entstammt. Die Göttin bietet es in einer Muschel als Lebenselixier an, das Genuss und Stimulans verspricht. Züge gesteigerter Sinnlichkeit strahle das Gefäß aus, wie sie auch dem Salz als Aphrodisiakum zugeschrieben wird. Im "Triumph der Venus" schwinge so auch ein Lobpreis des Salzes als Element des Lebens und der Liebe mit.
   Um eine anders geartete Liebe geht es bei einem Druck, den 1660 Otto van Veen in Antwerpen schuf. Er ist in Rotterdam im Museum Boymans/van Beuningen ausgestellt. Der Druck zeigt den Liebesgott Amor in Gestalt eines Kindes, das der menschlichen Seele, die ebenfalls als Kind dargestellt ist, ein kleines Salzfass überreicht. In Amor wird die göttliche Liebe personifiziert. Das Salz ist eine Freundschaftsgabe und steht für die Liebe Gottes selbst. Im Katalog heißt es: "Als Gewürz der Seele ‚versüßt' und bewahrt sie das menschliche Leben und verleiht den guten Taten einen höheren Wert."
   Die Ausstellung und ihre Dokumentation in den beiden umfangreichen Katalogen zeigt, welch ein erstaunlich wenig beachtetes Thema Salz ist. Dabei zieht es sich durch alle Bereiche des Lebens, von den ganz profanen materiellen bis hin zu den philosophischen und religiösen.

Textauszug aus
Irene Dalichow: Salz

 

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